Herz, Welt
Kommentare 1

Freiflug.

Der Flughafen, oder: der Ort, an dem sich meine Seele regelmäßig in tausend Stücke teilt, damit jedes in eine andere Richtung davonfliegen kann.

So war es schon immer.
Ich, die Frau mit der wohl größten Flugpanik der Welt, betritt die Abflughalle und hat schon nach 10min. das erste Pipi in den Augen.
Warum? Ich weiß es nicht, kann es nicht erklären.
Allein dieses Gefühl der Freiheit, das Wissen um die vielen Möglichkeiten, dem eigenen Alltagstrott auf so leichte und schnelle Art und Weise einfach zu entkommen, wühlte mein Herz schon immer mehr auf, als es mir in der Öffentlichkeit lieb ist.
Meine Gedanken verlassen dann ihren gewohnten Rummelplatz und schwärmen aus, die Welt zu entdecken.
Einfach Fliegen.
Sie fliegen.
Irgendwo hin.
Und ich hinterher…. .

Wo sie landen ist ungewiss..und gerade das schöne.
Nur in einem Punkt treffen sie sich…nämlich bei der Sehnsucht.
Wahrscheinlich ist sie so etwas wie die „Bierbar“ meiner selbst, der Treffpunkt, der Stammtisch, an dem in schönster Regelmäßigkeit gelacht, geweint und gelebt wird.
Mal bin ich die Barfrau, die das Pensum konsequent bestimmt und nicht anschreiben lässt…meistens sitze ich aber mit am Tisch und habe am Ende den längsten Deckel von allen.

Und genau hier, an diesem lauten, hektischen Ort, diesem Schmelztigel von Sprachen, Kulturen und Emotionen in allen Gesichtern, wird sie wieder wach…und lässt mich innerlich fast zerspringen.
Ich denke an all die wundervollen Menschen, die ich in den unterschiedlichsten Ländern kennenlernte. Tausend Bilder und Erinnerungen erblühen in den schönsten Farben.
Tausend fremde Menschen um mich herum, bewegen sich plötzlich wie in Zeitlupe.
Alles verlangsamt sich.
Ich bin nicht mehr hier.

Nur meine Hülle nimmt noch alles wahr.
Die junge Frau, die ihr Handgepäck einfach fallen lässt, nur um ihrem Freund in die Arme zu springen, der wahrscheinlich sehr lange auf sie gewartet hat.
Das ältere Paar, dass seine Enkelkinder durch die Luft wirbelt und deren Eltern in die Arme schließt.
Alle strahlen. Vor Euphorie, Glück und Liebe.

Nur ein junger Mann sitzt allein auf einer Bank in der Ankunftshalle.
Neben ihm stehen zwei Coffee to go-Becher, eine eingewickelte Rose liegt auf seinem Schoß.
Die ganze Zeit schon schaut er erwartungsvoll auf, sobald die Tür aufgeht und wieder einen Schwall „Ankömmlinge“ ausspuckt, die gerade einem Flieger entstiegen sind.
Doch niemand kommt.
Niemand, auf den er wartet.
Niemand, den er kennt.
Doch er bleibt sitzen. Und wartet weiter… .
Ich sehe ihn an, unsere Blicke treffen sich..und für einen kurzen Moment spüre ich eine Verbundenheit zwischen uns.
Wir beide warten.
Wir beide wissen, worauf.
Oder auf wen.
Und egal, wie lange es wohl noch dauern wird…
wir wissen, dass es passiert.

Ein kurzes lächeln huscht über sein Gesicht, als er meine tränen-feuchten Augen sieht.
Ich lächle zurück, wische mir dann verstohlen die Tränen weg…und merke bei einem Blick auf die Uhr, dass ich schon seit einer ganzen Stunde an dieser Stelle stehe und träume.
Es ist Zeit zu gehen.

Die Sonne strahlt und brennt in meinen Augen, als ich den Flughafen verlasse.
Ich blinzle, setze die Sonnebrille auf, atme tief durch…und bin wieder zurück.
Jetzt. Hier. In der Realität.

Und über mir zieht leise ein Flieger von dannen…. .

1 Kommentare

  1. sprachlos wiche ich mir nun meine träne weg, lege in gedanken kurz meine hand auf deine schulter, schau dir in die augen und träume vom reisen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert